In den entscheidenden Metern des Qualifyings für den 14. WM-Saisonlauf hatte aber Räikkönen offensichtlich den besseren Windschatten. Der bald 39 Jahre alt werdende Finne, dessen Ferrari-Vertrag diese Saison ausläuft, setzte sich so am Ende 0,161 Sekunden vor seinem Teamkollegen durch. Dass da womöglich etwas "fehlgelaufen" war, merkte man an Vettels Reaktion. Zunächst jubelte der Deutsche mit einem lauten "Yes!" über seine vermeintliche Pole. Darauf hingewiesen, dass er nur Zweiter sei, meinte ein verärgerter Vettel am Funk, dass dies noch besprochen werden müsse.
Zumindest nach dem Aussteigen aus dem Auto hatte sich Vettel aber schon wieder im Griff. "So ist es eben hier in Monza. Kimi hat den Sweetspot erwischt. Ich hingegen war mit meiner letzten Runde nicht ganz zufrieden", sagte Vettel, der in der WM 17 Punkte hinter Hamilton liegt und am Sonntag (15.10 Uhr MESZ, live ORF eins, RTL) weiter dringend Aufholbedarf hat.
Räikkönen ist offenbar ohnehin bewusst, dass er trotz der ersten Ferrari-Pole in Monza seit acht Jahren und der 60. Frontreihe für Ferrari insgesamt in seinem 284. Formel-1-Rennen womöglich ohnehin den Wasserträger spielen muss. "Das ist toll für morgen, aber nur der halbe Job", meinte der 20-fache GP-Sieger. Irgendwie wurde er dann aber angesichts der Kimi-Sprechchöre ebenso wie seine in der Box vor Rührung weinende Frau Minttu doch von der tollen Stimmung im Autodromo angesteckt.
Und der nun älteste Pole-Setter nach Nigel Mansell (1994) freute sich auch darüber, dass er auf dem Vollgas-Kurs in Norditalien in 1:19,119 Minuten und einem Schnitt von 263,587 km/h die schnellste Formel-1-Runde aller Zeiten (bisher Juan Pablo Montoya 2004) gefahren war. "Es gibt keinen besseren Platz als Ferrari-Pilot, als hier auf der Pole zu sein. Das ist ganz speziell. Ich hoffe, das ist morgen genauso", sagte der Routinier.
In den Trainings davor war stets Spa-Sieger Vettel der schnellere Ferrari-Fahrer gewesen und hatte damit die Hoffnungen der Tifosi auf den ersten Ferrari-Heimsieg in Monza seit acht Jahren genährt. Damals gewann der Spanier Fernando Alonso von der Pole. Monza ist für Vettel auch deshalb speziell, weil er hier vor zehn Jahren in einem Toro Rosso seinen ersten Formel-1-Sieg überhaupt geschafft hat.
Diesmal wurde er von den Ferrari-Teamverantwortlichen in beiden Q3-Outings aber vor Räikkönen auf die Strecke geschickt. Vettel lieferte damit womöglich Räikkönen sogar selbst den nötigen Windschatten für die Bestzeit.
Hamilton wurde zwar ausgebuht, ihm kann selbst ein noch so kleiner Zwist im Hause Ferrari nur recht sein. Nachdem er zuletzt vier Mal in Folge in Monza die Pole geholt hatte, gab es diesmal zumindest im Qualifying für den englischen Vorjahressieger kein Vorbeikommen an den Ferraris. "Wir haben einen soliden Job abgeliefert und alles gegeben, was wir können", meinte er. "Am Ende war es ohnehin eng und wir werden auch am Sonntag alles geben." Teamchef Toto Wolff ergänzte: "Wir müssen eingestehen, fair geschlagen worden zu sein. Ferrari ist im Moment einfach auf einer guten Welle."
Ein Ferrari-Heimsieg wäre in Monza überaus emotional. Und er würde an das erinnern, was vor 30 Jahren Gerhard Berger gelungen ist. Der Tiroler sorgte damals in Monza für den ersten Ferrari-Sieg nach dem Ableben des "Commendatore" Enzo Ferrari. Vor kurzem ist mit Sergio Marchionne bekanntlich ebenfalls der Ferrari-Chef gestorben.
Monza (APA)