Es soll vor der Quali zu keinem unnötigen Adrenalinausstoß mehr kommen, deshalb wird der Oberösterreicher vor den drei Würfen nicht mehr nach Stadion-Luft schnappen. Den Wurfkreis im Olympia-Oval kennt er, es ist derselbe wie bei ihm in der Südstadt. Und das Stadion liebt er, gewann der Olympiasechste von Rio doch 2016 das prestigeträchtige ISTAF Outdoor. Von 2010 bis 2014 war das in der Hand von London-Olympiasieger Robert Harting gewesen, der als Lichtfigur der EM, aber auch als Außenseiter seine internationale Karriere mit einem Coup beenden will und dafür auch seinen Bruder und Rio-Olympiasieger Christoph Harting besiegen müsste.
Weißhaidinger deckte sich Montag im Supermarkt mit Süßigkeiten und Schokolade für den ersten Wettkampftag ein und wird die meiste Zeit im Hotelzimmer verbringen. "Ein paar Scherze werden Gregor und ich schon machen, aber ansonsten wird Energie gespart und etwas weniger geredet. Der Fokus geht zum Wettkampf hin. Wir haben den Ablauf schon öfter geübt, das wird eine ganz ruhige Herangehensweise." Ein geschriebener Zeitplan gibt Sicherheit.
Trainer Gregor Högler gab Montagfrüh im Stadion die beiden Disken ab: der blaue von den Sommerspielen 2016 in Rio, der schwarze, mit dem Weißhaidinger am 20. Mai in Rehlingen den von ihm gehaltenen österreichischen Rekord auf 68,98 m verbesserte. "Ich denke, ich werde mit dem blauen werfen, der hat sich momentan im Training recht gut angefühlt und ist gut geflogen", sagte Weißhaidinger Sonntagabend in Berlin.
Es gehe um das prozentuale Außengewicht, das Gewicht am äußeren Ring. Der blaue habe nicht so viel Außenringanteil wie der schwarze. "Der schwarze Diskus ist für Extremsituationen. Der blaue verzeiht vom Wind her, ob von links, rechts, vorne oder hinten, ein bisserl mehr."
64 m gilt es in der Qualifikation zu werfen, drei Versuche hat jeder Athlet. "Das werden einige schaffen, da wird nicht mehr viel mit Auffüllen passieren", glaubt Weißhaidinger. "Ich bin sehr ruhig und gehe mit sehr viel Vorfreude rein." Die Nervösität werde kommen, deshalb gelte es Coolness zu bewahren. Und am Schluss zu attackieren. "Sicherheitswürfe bringen mir sowohl in der Quali als auch im Finale nichts. 64 ist schon eine ganz ordentliche Zahl, vor allem in der Früh."
Die Gruppenzuteilung erfolgt erst, 9.40 oder 11.10 Uhr ist möglich. Aufstehen vor 5 Uhr ist also nicht ausgeschlossen, denn im Stadionbereich wird bereits zwei Stunden vor dem Bewerb mit dem Prozedere begonnen, und zuvor muss der Organismus in Schwung kommen. Aber auch das haben Weißhaidinger und Högler schon durchexerziert.
Auch Högler gibt sich entspannt, denn so richtig habe "Luki" erst vor zwei, drei Jahren begonnen. "Wir haben die Technik gefunden, mit der wir im Groben immer antreten werden. Man sieht, was sein Potenzial ist, aber du brauchst trotzdem die Würfe. Du kannst nicht technisch etwas in 1.000 Würfen machen, wo du 20.000 brauchst. Das muss man auch abwarten dürfen."
Vom Timing her und von den kleinen Schräubchen, die man drehe, sei es immer eine Herausforderung. "Weil das perfekt sein muss. Der Unterschied zwischen einem guten Wurf und einem perfekten Wurf ist so wie ein Glühwürmchen gegen einen Blitz. Das sind so viele tausend Volt dazwischen, aber es ist ganz knapp beinander."
Der Grad zwischen Glück und Pech ist ebenso schmal. Im Hotel ist Vorsicht angesagt, das Desinfektionsmittel immer mit dabei. 2017 bei der WM in London kostete ein Magen-Darm-Virus Weißhaidinger einen besseren Platz als Rang neun. "Die anderen haben das auch, wir sehen immer nur unser Schicksal. Nennen wir es Reifeprozess", sagte Högler. Von der Statistik her müsse man mehrmals antreten, um etwas zu erreichen.
"Ich kann die anderen nicht beeinflussen, ich schaue auf mich. Es gibt viele, die am Tag X ein Pech haben, da möchte ich nicht dazugehören", ist Weißhaidinger klar. Christoph Harting, der Schwede Daniel Stahl und der Litauer Andrius Gudzius seien die, die es zu schlagen gelte, um vorne mitzureden. "Luki hat gesagt, er ist stärker als je zuvor. Die Gegner sind natürlich auch stark, das ist uns bewusst", warnte Högler.
Berlin (APA)