Hamilton tat sich nach seinem 68. GP-Sieg leicht, am Podium die Buhrufe zehntausender Tifosi zu ertragen. Ferrari war dank des besseren Autos als Favorit ins emotionale Heimrennen gegangen, hatte die Trainings sowie das Qualifying mit Räikkönen vor Vettel dominiert. Dass am Ende im Ferrari-Land die großen Erwartungen des Heim-Teams unerfüllt blieben und etwas überraschend der nur aus der zweiten Reihe gestartete Mercedes-Pilot Hamilton gewann, entschied sich bereits in Runde eins.
Denn Vettel geriet beim Versuch, wie zuletzt in Spa die verpasste Pole auf der Strecke rasch wettzumachen, durch einen Spurwechsel schon in der ersten Schikane an Hamiltons Silberpfeil. Als er vor der zweiten Variante hinter Raikkönen fahrend überraschend die Tür offen ließ, nützte Hamilton die Lücke und setzte sich außen neben Vettel. Die beiden Autos berührten sich erneut, diesmal aber drehte sich der Ferrari. Vettel musste danach zudem den Frontflügel wechseln und fiel trotz einer Safety-Car-Phase wegen eines anderen Unfalls auf Platz 18 zurück. "Sein Dreher war letztlich ausschlaggebend", war auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff bewusst.
Nach zweimaligem Reifenwechsel ging dann für den Deutschen trotz seines starken Autos sogar ein Podestplatz verloren. Selbst Vierter wurde Vettel nur, weil der auf der Straße drittplatzierte Max Verstappen im Finish eine Fünf-Sekunden-Zeitstrafe ausfasste und so ein Podium für Red Bull wegwarf.
"Ich hatte keinen Platz mehr, wurde eingekeilt", schilderte Vettel die entscheidende Situation, die von den Rennfunktionären zurecht nicht geahndet wurde. "Mir war nicht ganz klar, wo Lewis hin wollte. Aber damit muss man immer rechnen", sagte der 33-jährige Vierfach-Weltmeister, der endlich auch in einem Ferrari Champion werden will. "Es hätte auch anders laufen und er sich drehen können. Sowas passiert leider, heute hat es mich getroffen", versuchte der WM-Zweite Fassung zu bewahren.
Während Vettel den Rest des Rennens Schadensbegrenzung betrieb, wurde Raikkönen gleich nach dem Restart von Hamilton überholt. Der 38-jährige Finne konterte aber sofort. Entscheidend war letztlich, dass der Engländer später als Raikkönen an die Box kam und darauf setzte, gegen Rennende die besseren Reifen zu haben. Eine gewagte Taktik, die aber aufging. Auch deshalb, weil sich Hamiltons "Wingman" Valtteri Bottas mit seinem Reifenwechsel lange Zeit ließ und so als zwischenzeitlicher Führender Raikkönen rundenlang aufhielt. "Das war meine Mission", sagte Bottas, für den es dafür viel Lob von der Box gab.
Raikkönen, der am Samstag mit über 263 km/h die schnellste jemals gestoppte Formel-1-Runde gefahren war, kämpfte dennoch lange wie ein Löwe darum, seine 108 Rennen betragende Sieglosigkeit zu beenden sowie um die historische Möglichkeit, der erste finnischer Sieger auf einer italienischen Rennstrecke zu werden. Acht Runden vor Schluss war aber wegen der nachlassenden Reifen keine Gegenwehr mehr möglich und die Rennentscheidung gegeben. Hamilton überholte Raikkönen und siegte am Ende souverän.
"Ich wäre schnell genug gewesen. Aber die Reifen haben nicht mitgemacht", berichtete Raikkönen. "Ich habe alles probiert. Aber es war unmöglich, Lewis am Ende nochmals zu fordern", sagte der Finne und entschuldigte sich bei den Fans. "Es tut mir leid, dass ich nicht gewonnen habe."
Hamilton versuchte nach seinem bereits fünften Monza-Sieg, bei den Tifosi Sympathie zu erzeugen. "Hier zu gewinnen, ist immer eine Riesenehre. Ferrari war ein großer Herausforderer", sagte er am Podest. "Anfang der Woche hat es viel negative Stimmung gegeben. Die ist jetzt weg und dafür spüren wir nun viel positive Energie", sagte der Engländer. "Wir geben nie auf!"
Nach Saisonsieg Nummer sechs liegt Hamilton sieben Rennen vor WM-Ende nun bereits 30 Punkte voran, so groß war im Wechselspiel mit Vettel bisher noch kein Vorsprung eines WM-Führenden. Vettel hatte sich schon im Qualifying über eine offensichtliche Bevorzugung von Raikkönen geärgert, nun sind seine WM-Chancen weiter gesunken.
Für Raikkönen könnte es freilich der letzte Monza-Auftritt in einem Ferrari gewesen sein. Offenbar ist beschlossen, dass man den Vertrag des bald 39-jährigen "Iceman" nach dieser Saison nicht mehr verlängert. Deutlichster Hinweis war, dass die erwartet Vertrags-Verkündung beim Heimrennen ausgeblieben war. Angeblich hatte die letzte Personalentscheidung des verstorbenen Ferrari-Chefs Sergio Marchionne gelautet, den derzeit bei Sauber fahrenden Monegassen Charles Leclerc ab 2019 in den zweiten Ferrari zu setzen.
Monza (APA)